1. Schnellbootgeschwader
1. Schnellbootgeschwader

1. Schnellbootgeschwader

Mit Aufstellungsbefehl Nr. 18 der Marine wurde mit Wirkung vom 01.04.1956 das Schnellboot-Lehrgeschwader mit Heimathafen Kiel-Friedrichort aufgestellt und dem Kommando Marine-Ausbildung unterstellt. Korvettenkapitän H. H. Klose wurde zum Geschwaderkommandeur ernannt und die bis Ende März 1956 unter britischer Flagge fahrenden Boote „Silver Gull“, „Storm Gull“ und „Wild Swan“ (siehe Verband Klose) nach Übernahme durch die deutsche Marine dem Geschwader als erste Einheiten zugeteilt. Die englischen Namen wurden dabei einfach ins Deutsche übersetzt. Sturmmöwe war zwar als erstes Boot von Stapel gelaufen, man bezeichnete aber die Boote als Silbermöwe Klasse (bzw. Klasse 149), da Silver Gull früher in Dienst gestellt worden war.

Das Wappen des Geschwaders zeigt vor dem Hintergrund des Nesselblattes (Wappen der Stadt Kiel) drei Wellen, die den Einsatzort See symbolisieren. Der Dreizack steht für Wehrhaftigkeit zur See, der Stern weist auf den vorwiegend nächtlichen Einsatz der Schnellboote hin.
Am 29. Mai 1956 wurden „Silbermöwe“, „Sturmmöwe“ und „Wildschwan“ im Beisein des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten v. Hassel durch den Leiter der Abteilung Marine im Bundesministerium der Verteidigung, Vizeadmiral Ruge, an der Bellevue-Brücke am Kieler Hindenburgufer in Dienst gestellt. Bei der anschließenden Fahrt in See wurde zum ersten Male nach 1945 beim Passieren des Ehrenmals Laboe zu Ehren der auf See gebliebenen Front nach Steuerbord gepfiffen. Als Liegeplatz wurde den Booten eine vorher von der Royal Navy genutzte Pier im Hafenbecken Stickenhörn (später Plüschowhafen) zugewiesen.

Die Boote waren 1954 / 55 auf der Lürssen-Werft nach den Plänen der Weltkriegs Boote gebaut worden. Drei weitere Einheiten folgten für den Seegrenzschutz. Als dieser jedoch zum 1. Juli 1956 aufgelöst und in die Marine überführt wurde traten am 02.07.1956 die beiden bereits in Dienst befindlichen Boote (S 1 und S 2) mit ihren Besatzungen zu dem Schnellboot-Lehrgeschwader. Analog zu ihren Schwesterschiffen erhielten sie die Namen „Eismöwe“ und „Raubmöwe“. Dem Geschwader waren nun jene 5 Einheiten unterstellt, die bis zur Auflösung seinen Kern bildeten. Der Kommandeur erhielt die Genehmigung, anstelle des Divisionsstanders den Geschwaderstander als Kommandozeichen zu führen.

Das dritte und letzte Boot, die „Seeschwalbe“, wurde im Vergleich zu ihren Schwesterschiffen mit einer veränderten Antriebsanlage (Maybach Motoren mit Verstellpropeller) ausgerüstet. Sie wurde am 16.04.1957 in Dienst gestellt, fuhr aber wegen ihres Erprobungsauftrages und ständiger Probleme mit der Antriebsanlage nie im Geschwaderverband. Später ging sie als UW 9 zur Marineunterwasserwaffenschule und danach als Wilhelm Laudahn mit ziviler Besatzung zur Erprobungsstelle Eckernförde.
Mit Wirkung vom 16.09.1957 wurde das Schnellboot-Lehrgeschwader in 1. Schnellbootgeschwader umbenannt und dem ab 1.10.1957 aufgestellten Kommando der Schnellboote unterstellt. Anfang 1958 erfolgte die Ausrüstung mit zwei um 15 Grad ausschwenkbaren Torpedorohren englischer Bauart auf dem Mitteldeck beiderseits der Brücke, verbunden mit einer mechanischen Zieleinrichtung und elektrischer Zentralabfeuerung. Ebenso wurde eine 40 mm Kanone als einheitliche Artilleriebewaffnung eingeführt.
Von Anbeginn an war dem Geschwader das Wohnschiff Knurrhahn zugeteilt, welches den Soldaten im Plüschowhafen als Unterkunft diente. Ein richtiges Begleitschiff trat erst mit dem am 14.07.1962 für das 1. Schnellbootgeschwader in Dienst gestellten Tender Weser hinzu. Bereits ein Jahr später mußte es jedoch wieder abgegeben werden, um als Schulschiff Verwendung zu finden. Erst am 01.02.1965 kehrte Weser zum Geschwader zurück.

Längsseits Knurrhahn

Ausbildung:
Da das 1. Schnellbootgeschwader zunächst der einzige Verband der jungen Schnellbootwaffe war, wurden hier die ersten Besatzungen für die bereits ab Mitte 1957 zulaufenden 30 neuen Boote der Jaguar und Seeadler Klasse ausgebildet. Mit Ausnahme weniger kriegserfahrener Offiziere mußten viele der zukünftigen Kommandanten und Wachoffiziere ihr Handwerk erst noch erlernen. Aus diesem Grunde fuhren die Boote zeitweise mit einem Kommandanten- und vier WO-Schülern zur See. Die Ausbildungstätigkeit war von Beginn an sehr hoch und lag im Schnitt deutlich über 100 Seetagen pro Boot. Neben der seemännischen Handhabung der Boote stand die taktische Ausbildung im Mittelpunkt. Formationsfahren und Torpedoschießabschnitte waren weitere Schwerpunkte. Weiter wurde die Handhabung der an Bord befindlichen Radargeräte zur Lagebilderstellung intensiv geübt. Auf diesem Gebiet mußten die ersten Erfahrungen gesammelt werden, da die Kriegsboote über keine Radaranlagen verfügten. Allerdings erforderte dies große Übung, da die Geräte zum Teil gar nicht oder nur über einen Magnetkompaß stabilisiert waren. Ein Plottisch stand ebenfalls nicht zur Verfügung.
Die Ausbildungsabschnitte waren systematisch aufeinander aufgebaut. Grundlage war die gleichzeitige Durchführung der planmäßigen Werftliegezeiten aller 5 Boote der Silbermöwe Klasse, um einen stets einheitlichen Ausbildungsstand zu sichern. Der Einzelausbildung folgte eine Geschwaderausbildung, die später durch gemeinsame Übungen mehrerer Geschwader ergänzt wurde. Den Höhepunkt bildeten dann die NATO Manöver. Nach Abschluß der ersten Gefechtsbesichtigung durch den Befehlshaber der Seestreitkräfte (später Befehlshaber der Flotte) am 29.03.57 nahm das 1. Schnellbootgeschwader bereits im Juni 1957 am ersten nationalen Manöver „Seewolf“ und einen Monat später als erster deutscher Verband am NATO-Manöver „Stern Chase“ teil. Keine leichte Aufgabe, denn sämtliche NATO Vorschriften waren erst wenige Tage zuvor an die Boote verteilt worden. Erstmals wurden dabei auch englische und holländische Häfen angelaufen. Am 23.01.1958 wurde das Geschwader dann als dritter Verband der Bundesmarine in Anwesenheit des norwegischen Admirals Pettersen der NATO assigniert.
Neben den Einsätzen in der Ostsee übte das Geschwader auch häufig in den Gewässern um Helgoland sowie im Englischen Kanal und besuchte in den Folgejahren unter anderem Amsterdam, Antwerpen, Den Helder, Great Yarmouth, Haugesund, Portsmouth, Ostende, Kopenhagen und Karlskrona. Viele Vorbehalte und Ressentiments waren dabei zu überwinden, doch den Besatzungen gelang es in dieser Phase des Aufbaues der Bundeswehr und Marine beim ehemaligen Gegner das Bild eines neuen Deutschland mit Takt aber auch Festigkeit und Selbstbewußtsein sichtbar zu vertreten.

Die ausländischen Erprobungsboote:
In der Aufbauphase der Schnellbootwaffe wurden schon früh Überlegungen angestellt, ob zum Schutz der Küstengewässer neben den großen, aber teuren Verdrängungsbooten auch kleinere, aufgrund ihrer einfacheren Konstruktion billigere Gleitboote eingesetzt werden konnten. Da solche Boote in Deutschland bislang nicht gebaut wurden entschloß sich die Marine zum Kauf von zwei Einheiten der 80 ts großen, norwegischen Nasty Klasse und jeweils einer Einheit der ca. 100 ts großen, mit Gasturbinenantrieb ausgerüsteten englischen Brave und Ferocity Klasse, um die unterschiedlichen Konzepte zu erproben. Alle 4 Einheiten wurden dem 1. Schnellbootgeschwader unterstellt. Die beiden in Norwegen gebauten Boote wurden am 05.11.1960 in Mandal als „Hugin“ und „Munin“ in Dienst gestellt. Im Laufe der nur dreijährigen Indiensthaltung hatte Munin ständig technische Probleme und fiel häufig aus. Hugin konnte neben den Erprobungen auch an einigen Manövern teilnehmen. Es stellte sich jedoch bald heraus, daß die kleinen Boote den Seegangsverhältnissen im Operationsgebiet Ostsee nicht gewachsen waren. Beide Boote wurde daher am 04.01.1964 außer Dienst gestellt und später an die Türkei übergeben.
Die beiden britischen Boote liefen 1962 in England von Stapel und erhielten die Namen „Pfeil“ und „Strahl“. Die Boote liefen eine Spitzengeschwindigkeit von über 50 kn und bewährten sich auch etwas besser als die Nasty Klasse, konnten ihre hohe Geschwindigkeit aber nur bei ruhiger See erreichen. Einem Vergleich mit der Jaguar Klasse bezüglich der Seetüchtigkeit hielten sie nicht stand. Auch sie wurden zum Ende der Erprobungen am 30.09.1965 außer Dienst gestellt und später an Griechenland übergeben.

Geschwader mit Pfeil und Strahl im Neustädter Hafen

Auflösung des Geschwaders:
Obwohl es sich bei der Silbermöwe Klasse um zuverlässige und seetüchtige Boote handelte konnte sie doch mit den neuen, großen Booten nicht mehr mithalten. Als daher mit dem 2., 3., 5. und 7. Schnellbootgeschwader die Zahl der für die Bundesmarine vorgesehen 40 Schnellboote erreicht und diese Geschwader einsatzbereit waren, entschied sich die Marine 1967 zur Außerdienststellung und damit auch zur Auflösung des 1. Schnellbootgeschwaders.
Am 15.03.1967 gingen in Kiel auf Silbermöwe, Sturmmöwe, Wildschwan, Eismöwe und Raubmöwe Flaggen und Wimpel nieder. Damit hatte das 1. Schnellbootgeschwader, untrennbar mit dem Wiederaufbau der Schnellbootwaffe und der Bundesmarine verbunden, aufgehört zu bestehen. Die Boote selbst wurden nach gründlicher Überholung an Griechenland abgegeben, wo sie noch über viele Jahre im Dienst waren.

Geschwaderkommandeure:
KKpt. Klose, H. H. 04.56 – 11.56
KKpt. Matzen, J. 11.56 – 07.58
Kptlt. Wülfing, B. 08.58 – 08.59
Kptlt. Thäter, K-J. (m.d.W.d.G.b.) 08.59 – 12.59
KKpt. Goette, R. 12.59 – 03.62
KKpt. Dr. Geffers, H. 04.62 – 09.63
KKpt. Bucher, R. 10.63 – 03.66
KKpt. Reimann, H. 04.66 – 03.67

Quellen:
Kommando der Schnellboote – Militärisches Tagebuch – Bundesarchiv-Militärarchiv BM 7/20 und BM 7/21, Bd. 1 – 01.10.1957 – 30.09.1960, Bd. 2 – 01.10.1960 – 22.10.1963
Unterlagen der Schnellbootflottille
Kptlt. Bödeker in „Die Schnellbootflottille 1990“ (Jahresbroschüre der SFltl.)
Festschrift „10 Jahre 1. Schnellbootgeschwader“, 1966
Fock, Harald – Schnellboote Bd. 3, Herford 1974
Fotos: SFltl., B. Abbass