Reichsmarine
Reichsmarine

Reichsmarine

Nach der drastischen Kürzung der deutschen Flotte durch den Versailler Vertrag auf sechs Linienschiffe von 10.000 t, sechs Kreuzer von 6.000 t, 12 Zerstörer von 800 t und 12 Torpedoboote von 200 t waren die Hauptanstrengungen der Marineführung darauf gerichtet, diese vorwiegend alten Schiff in Betrieb zu halten und nach den Wirren der Revolution personell in den Griff zu bekommen. Dennoch bestand weiterhin Interesse an kleinen, vor allem zum Küstenschutz einsetzbaren Torpedoträgern. Da allerdings unklar war, ob solche Boote auf die gemäß Versailler Vertrag zugestandenen Torpedoträger angerechnet werden würden, begann eine verdeckte Weiterentwicklung. Dazu gründete der Kapitän zur See Lohmann, Leiter der Seetransportabteilung in der Marineleitung die TRAYAG (Travemünder Yachthafen AG), den Hochseesportverband HANSA und die Neustädter Slip GmbH. Aus inoffiziellen Sondermitteln (zum Teil aus dem Ruhrfonds sowie aus der Abwicklung des Krieges) wurden in oder kurz nach dem Krieg fertig gestellte Boote aufgekauft, um mit ihnen eine systematische Erprobung zu beginnen. Aus den gewonnenen Erfahrungen resultierten die folgenden Forderungen:
1. Entwicklung von leichten Motoren, möglichst als Dieselmotoren, um die Brandgefahr zu senken.
2. Nutzung des Verdrängungsbootes anstatt eines Gleitbootes, um unter Verzicht auf Höchstgeschwindigkeiten höhere Seegangsfähigkeit zu erzielen.
3. Ausrüstung mit zwei Bugtorpedorohren mit Nachladung durch zwei dahinter liegende Torpedos, um hohe Waffenwirkung zu erzielen.
Auf Grund dieser Forderungen wurden weitere Boote gebaut. So entwickelte Abeking und Rasmussen das Versuchsboot K, Lürssen das Versuchsboot Lür und die Caspar Werft in Travemünde das Versuchsboot Narwal.
Im April 1929 wurde der Ostseesperrverband aufgestellt. In ihm liefen unter der Bezeichnung UZ (U-Bootszerstörer) sieben ehemalige LM-Boote (siehe Kaiserliche Marine) sowie die drei neuen Boote.

Die ehem. LM-Boote als UZ(S) 13, 14, 15 und 17

Nach Abschluss aller Erprobungen erhielt die Lürssen Werft im November 1929 den Auftrag zum Bau des ersten, direkt an die Reichsmarine zu liefernden Bootes, welches am 07.08.1930 unter der Bezeichnung UZ 16, mit dem Zusatz S als neutrale Bezeichnung für schnelle Boote, in Dienst gestellt wurde.

Das gleiche Boot wurde Ende März 1931 zum Wachboot W 1 und am 16.03.1932 zum Schnellboot S 1 umbenannt. Damit wurde die bisher als Tarnbezeichnung verwandte Klassifizierung Schnellboot offizielle Typbezeichnung in der deutschen Marine. Mit 27 m Länge und 51 Tonnen sowie einer Geschwindigkeit von 34 Knoten näherte es sich bereits den Maßen, die später das Schnellboot im Kriege kennzeichneten. Allerdings standen bei diesem und den Folgebooten Dieselmotoren noch nicht zur Verfügung, so dass noch auf Benzinmotoren zurückgegriffen werden musste. Erst mit dem Ende 1933 in Dienst gestellten S 6 wurden von den Firmen MAN und Daimler Benz hergestellte Viertaktdieselmotoren eingeführt.
Mit der offiziellen Einführung „Schnellboot“ (März 1932) erhielt auch die bislang unter dem Kommando von Kapitänleutnant Bey stehende UZ (S) Versuchsgruppe den Namen 1. Schnellboothalbflottille. Allerdings wurde trotz dieser Umbenennung die Eigenschaft der Boote als Torpedoträger zunächst noch geheimgehalten, die Torpedorohre nur jeweils auf einem Boot zur Erprobung bzw. zum Torpedoschießen aufgebaut. Von Oktober 1934 bis Dezember 1935 traten die Folgeboote S 7 bis S 13 zum Schnellbootsverband, wobei S 7 bis S 9 einen siebenzylindrigen MAN-Motor erhielten während S 10 bis S 13 mit dem 16-Zylinder Viertaktdiesel MB 502 der Firma Daimler Benz ausgestattet wurden. Dieser Motor sollte sich in den Folgeversuchen als wesentlich störunanfälliger erweisen. So hielten im Mai 1937 die mit Mercedesmotoren ausgerüsteten Boote S 10 bis S 13 eine 500 Seemeilen lange, von Helgoland rund um Skagen nach Kiel führende und mit 25 Knoten Dauerfahrt ablaufende Einsatzerprobung störungsfrei durch, während die mit MAN-Motoren ausgerüsteten Boote wegen Motorenschäden erheblich Probleme hatten. Dieser MB Motor wurde dann auch – mit weiteren Verbesserungen – der Standardmotor der deutschen Schnellboote.

Schnellboote S 2 – S 5
Schnellboot S 14, ähnlich S 10 – S 13

Quellen:
Fock, Harald: Schnellboote Bd. 1, Herford 1973
Gröner, Erich: Die deutschen Kriegsschiffe 1815 – 1945, Bd. 2, Koblenz 1983
Docter, H.: Die Anfänge des Marine-Schnellbootbaus in: Wehrtechnische Monatshefte 1963 S 325 und 374
MGFA: Deutsche Militärgeschichte 1648 – 1939, Bd. 5, München 1983
Rahn, Werner: Reichsmarine und Landesverteidigung 1919 – 1928, München 1976
Zeichnung: Docter und Fock
Fotos: Bundesarchiv / Bildarchiv